Gedenkrede Elke Twesten -

Stellvertretende Landesvorsitzende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Landesverband Niedersachsen 

 

anlässlich des Volkstrauertages 2018 auf der Deutschen Kriegsgräberstätte Lommel (Belgien)                                                                    

                           Liebe Gäste, verehrte Anwesende,

 

und ihr, die Jugendlichen aus Belgien und Deutschland, die ihr diese Gedenkfeier

heute gemeinsam für beide Nationen mitgestaltet. 

 

                Von der Trauer zum Gedenken

 

 

Ich möchte mit einem Gedicht beginnen:

 

Kurt Röttiger – gefallen 25. Oktober 1914 in Belgien

geschrieben auf einer Feldpostkarte an meinen Urgroßvater:

 

 

Wenn die Abendglocken klingen durch das schöne fremde Land

Männerstimmen Lieder singen, hast Du nie den Krieg gekannt.

 

Wenn dieselbe Sonne, die Euch leuchtet,

fern die Abendwolken rötet,

 

Wenn der Tau die Täler feuchtet,

kennst Du nicht den Krieg, der tötet. 

 

Aber wenn Du rauch’ge Trümmerhaufen – siehst,

wie mancher schlafend liegt,

 

Wenn Du das gesehen, dann weißt Du’s allzu sicher:

 Es ist der Krieg!  

 

 

Ich bin der Einladung, im Rahmen dieser Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2018 auf dem Gelände der Deutschen Kriegsgräberstätte in Lommel zu Ihnen sprechen zu dürfen, gerne gefolgt – ich bin 1963 geboren und gehöre der Generation an, die beide Weltkriege eigentlich nur aus dem Geschichtsbuch kennt,

 

eigentlich……. wenn da nicht mein Großvater Jahrgang 1897 gewesen wäre, der mir von Schützengräben, von Tod, grausamen Verletzungen und unzähligen Opfern, vom „1. Großen Krieg“ erzählt hat, mein Großvater,

 

an dessen Vater die Zeilen auf der Postkarte gerichtet waren, der gerade seinen Sohn ins Feld schicken musste und angesichts dieser Worte vier Jahre lang um das Leben seines gerade mal 17 Jahre alten Kindes bangte.

 

mein Großvater, der mir das Leid der Menschen in ganz Europa  durch seine Erzählungen  - auch aus dem 2. Weltkrieg - nahe gebracht hat.

 

Deshalb war ich mit 17 sehr sicher, dass eine der Leitlinien der Friedensbewegung Anfang der 1980-er Jahre sehr richtig und wichtig war: „Nie wieder Krieg“

 

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich mir heute ebenso  sicher, dass die Plakat- und Postkartenkampagne des Volksbundes, die da heißt „Darum Europa“ sehr richtig und wichtig ist, damit aus der leidvollen Erinnerung gute  gemeinsame Zukunft wird. Heute möchte ich als Vertreterin des Volksbundes hier auf dieser Gedenkstätte – an diesem Gedächtnisort – diesem Lernort, diesem Ort, der Geschichte erfahrbar macht, mit Ihnen zusammen die Erinnerung an die Millionen Toten, die Krieg und Gewaltherrschaft gefordert haben, für die Zukunft bewahren.

 

Mein besonderer Dank gilt allen, die sich bereit erklärt haben, diese Gedenkfeier mitzugestalten, insbesondere aber der Region Limburg, die das Projekt .“Memory In Motion“ überaus großzügig unterstützt; haben Sie, die Sie an dieser Schnittstelle des ersten Weltkrieges liegen und ihre Verpflichtung für eine gute Zukunft Europas so ernst nehmen, dafür sehr sehr herzlichen Dank.

Heute möchte ich zuversichtlich bleiben, wenn Sie alle, die Sie jetzt hier sind, 100 Jahre nach dem 1. und mehr als siebzig Jahre nach dem 2. Weltkrieg das gemeinsame Erinnern an den Gräbern der Kriegstoten nicht aufgeben und unseren gemeinsamen Auftrag für eine zukunftsfähiges Europa wahrnehmen.

Der Volkstrauertag heute ist deshalb mehr als der klassische Gedenktag gegen Krieg und Gewalt, gegen Intoleranz und Rassenhass – der Volkstrauertrag heute fordert uns vor allem auf, in die Zukunft hinein zu denken, denn er steht wie kein anderer Tag genauso für Frieden und Verständigung, für Toleranz und Mitmenschlichkeit – 100 Jahre nach dem ersten Weltkrieg – darum Europa.

Und dieser Tag heute steht für Versöhnung, die so sehr nötig ist, weil unendliches Leid infolge von Krieg und Gewalt entstanden ist, welches heute nur noch selten ganz direkt in meine Generation hineinwirkt: bald werden die authentischen Erzählungen wie von meinem Großvater an mich nur noch gedruckt oder als Film, auf Bildern, zu haben sein.

Doch die vielen Toten, die vielen Opfer, sie sterben ein zweites Mal, wenn wir sie vergessen, deshalb der Volkstrauertag, darum Europa.

 

Für uns alle erwächst auch Jahrzehnte später eine historische Verpflichtung.

Heute möchte ich sie besonders betonen:

 

Nie wieder darf Nationalismus, nie wieder darf Rassismus in unseren Ländern eine Chance haben.

 

Ich denke dabei vor allem an die Generation meiner Kinder - Wo wenn nicht mit Ihnen, wo, wenn nicht von hier aus, wollen wir unsere Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen?

Hier in Lommel gibt es einen besonderen Auftrag:

 

Niemals vergessen…..

 

> Soldatenfriedhöfe sind Gedächtnisorte,

 

> sind Lernorte

 

> sind Orte mit einem besonderen Auftrag,

 

> sind Orte, an denen aus der Erinnerung…… Zukunft wird – darum Europa!    

 

Kriegsgräberstätten mahnen uns, der Soldatenfriedhof hält die Erinnerung an die Opfer wach, sie fordern uns heraus: Wie konnte es geschehen… ?

 

Hier besteht die Chance zu lernen und den Bogen zu spannen von der Vergangenheit in die Gegenwart: gemeinsames Leid führt nicht nur belgische und deutsche Jugendliche zusammen, sondern die gemeinsame leidvolle Geschichte wird mit dem Wissen um die Schlachtfelder an der Somme, vor Verdun und in Flandern eine verbindliche Linie für unsere Zukunft: Nie mehr Krieg – Darum Europa!  

 

Damit aus Erinnerung gute Zukunft wird, führt Reden über und Erinnern an diese Zeit heute immer über Europa.

 

Der Weg Deutschlands über die Montanunion, die EWG bis zur EU ist auch ein Ausdruck des Bestrebens, Wiederholungen von Radikalismus, Gräueltaten und falschem Nationalismus mit all seinen schrecklichen Ausprägungen zu verhindern.

 

Es ist unser Plädoyer für Europa, für Begegnungen und für gemeinsames Erinnern, damit Wiederholungen unmöglich werden. Es ist Verpflichtung und Verantwortung an Orten wie diesem darauf hinzuweisen und zum Dialog und zur Auseinandersetzung aufzufordern. Lommel erinnert daran, dass mehr als sieben Jahrzehnte Frieden für die Zukunft nur in gemeinsamer Arbeit, getragen von dem bewussten Erinnern schrecklicher Geschehnisse, politisch gestaltbar sind - Frieden ist gestaltbar!

 

 

Von daher sind Soldatenfriedhöfe internationale Orte, an denen uns ganz besonders deutlich wird, wie nationale Geschichten miteinander verwoben sind, weil die Toten aus allen Ländern Europas kommen, deshalb ist es unsere Aufgabe mit den erlebten Erinnerungen von gestern für heute und morgen Verantwortung für den Frieden jetzt und für die Zukunft zu übernehmen!

 

Mit diesem Wunsch für unsere Zukunft in Europa verneige ich mich vor allen Toten, die hier in Lommel ihre letzte Ruhestätte in Frieden gefunden haben.